Vertretungsweise Übernahme eines ärztlichen Notfalldienstes

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass der ärztliche Notfalldienst (z. B. an Wochenenden) auch dann von der Umsatzsteuer befreit ist, wenn ein Arzt ihn vertretungsweise für einen anderen Arzt (gegen Entgelt) übernimmt.

Praxis-Beispiel:
Der Kläger ist selbständiger Arzt, der mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KV) eine Vereinbarung über die freiwillige Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst abgeschlossen hat. Er übernahm in den Jahren 2012 bis 2016 für andere, zum Notfalldienst eingeteilte Ärzte als Vertreter deren „Sitz- und Fahrdienste“ in eigener Verantwortung. Gegenüber den vertretenen Ärzten rechnete der Kläger einen Stundenlohn zwischen 20,00 € und 40,00 € ab. Die erbrachten Notfalldienste hielt der Kläger für umsatzsteuerfrei.

Das Finanzamt und das Finanzgericht teilten diese Einschätzung nicht. Sie waren der Ansicht, der Kläger erbringe gegenüber dem Arzt, dessen Notfalldienst er übernehme, eine sonstige Leistung gegen Entgelt, die kein therapeutisches Ziel habe. Die Vertretung des Arztes beim Notfalldienst sei daher umsatzsteuerpflichtig.

Im Gegensatz dazu gewährte der BFH die Umsatzsteuerbefreiung. Auch die vertretungsweise Übernahme ärztlicher Notfalldienste gegen Entgelt durch einen anderen Arzt ist als Heilbehandlung im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei.

Der BFH begründet dieses Ergebnis damit, dass es zwar zutrifft, dass sich die vom Kläger vertretenen Ärzte durch die Vertretung beim Notfalldienst quasi Freizeit „erkauft“ haben. Allerdings habe der Kläger die zum Notfalldienst eingeteilten Ärzte nur dadurch von der Übernahme des Dienstes freistellen können, dass er selbst den ärztlichen Notfalldienst erbracht habe. Der ärztliche Notfalldienst ist eine ärztliche Heilbehandlung. Er dient dazu, in Notfällen ärztliche Leistungen in Zeiten zu erbringen, in denen die reguläre haus- oder fachärztliche Versorgung nicht stattfindet. Er gewährleiste damit die ärztliche Versorgung von Notfallpatienten im jeweiligen Einsatzgebiet, was eine umsatzsteuerfreie Tätigkeit ist. Auf den Umfang der tatsächlichen Inanspruchnahme des Notfalldienstes durch die Patienten kommt es nicht an.

Diese Beurteilung gilt nach Auffassung des BFH für die Notfalldienste eines Vertreters in gleicher Weise wie für die Notfalldienste der von der Kassenärztlichen Vereinigung dafür eingeteilten Ärzte.

Der BFH überträgt damit seine Rechtsprechung zu Bereitschaftsdiensten bei Großveranstaltungen (BFH-Urteil vom 2.8.2018 – V R 37/17) auf den „Sitz- und Fahrdienst“. Andererseits stellt er auch insoweit die Leistungserbringung durch einen fachlich qualifizierten Subunternehmer des Arztes der Leistungserbringung durch den Arzt selbst gleich. Die tätigkeitsbezogene Betrachtungsweise des BFH gewährleistet zudem die möglichst gleichmäßige Umsatzbesteuerung ärztlicher Notfalldienste in ganz Deutschland, da es dadurch auf die erheblichen regionalen Unterschiede in der Organisation der Vertretung bei Notfalldiensten durch die jeweils zuständige kassenärztliche Vereinigung nicht ankommt.

Quelle:BFH | Urteil | XI R 24/23 | 13-05-2025

Neuregelung: Unberechtigter Umsatzsteuerausweis

Mit dem Jahressteuergesetz 2024 vom 2.12.2024 (BGBl. I Nr. 387), wurde beschlossen, dass Gutschriften an einen Nichtunternehmer oder an einen Unternehmer, der die Lieferung oder sonstige Leistung nicht tatsächlich ausgeführt hat, unter § 14c Absatz 2 UStG fallen, sodass es sich um einen unberechtigten Steuerausweis handelt.

Unberechtigter Steuerausweis nach § 14c Absatz 2 UStG
Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, schuldet den ausgewiesenen Betrag. Durch die Neufassung wurde geregelt, dass eine Person eine zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer auch dann schulden kann, wenn der Steuerausweis in einer Gutschrift an eine nicht unternehmerisch tätige Person erfolgt. Nunmehr schuldet jemand auch dann den ausgewiesenen Steuerbetrag, wenn er einem nach einer vorherigen Vereinbarung erstellten, als Gutschrift verwendeten Dokument mit gesondertem Steuerausweis nicht unverzüglich widerspricht, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. 

Erfolgt der Steuerausweis in einer Gutschrift an einen Unternehmer für eine Leistung, zu der dieser nicht zum Steuerausweis berechtigt ist (z. B. beim Verkauf eines Wirtschaftsguts außerhalb seines Unternehmens), schuldet er die Steuer nach § 14c Absatz 2 Satz 1 UStG. Da eine Gutschrift, die nicht über die Leistung eines Unternehmers ausgestellt ist, nach dem BFH-Urteil vom 27. November 2019 – V R 23/19 (V R 62/17) einer Rechnung nicht gleichsteht, fielen derartige Sachverhalte nicht mehr unter § 14c Absatz 2 UStG a.F. Dieses Urteil ist somit nach der Gesetzesänderung für Sachverhalte, die ab dem 6.12.2024 (Tag nach Verkündigung des JStG 2024) verwirklicht werden, nicht mehr anzuwenden

Das gilt für einen Unternehmer, der eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis für eine Leistung erteilt, die er nicht im Rahmen seines Unternehmens ausführt, z. B. beim Verkauf eines Gegenstands aus dem Privatbereich (§ 14c Abs. 2 Satz 1 UStG). Das Gleiche gilt, wenn er eine Gutschrift mit gesondertem Steuerausweis erhält. Bei einer Steuer nach § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG kommt es nicht darauf an, ob ein unverzüglicher Widerspruch im Sinne von § 14c Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UStG vorliegt, vielmehr ist die Steuergefährdung nach § 14c Abs. 2 Satz 3 bis 5 UStG zu beseitigen. 

Praxis-Beispiel: 
Ein Unternehmer verkauft einen nicht unternehmerisch genutzten Pkw an einen Gebrauchtwagenhändler. Über den Verkauf wird (in einer Rechnung oder einer Gutschrift) Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen. Der Unternehmer schuldet die ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG.

Praxis-Beispiel:
Zwei Personen vereinbaren, über eine Leistung mit einer Gutschrift abzurechnen. Der Gutschriftsempfänger ist nicht Unternehmer oder führt die abgerechnete Leistung nicht tatsächlich aus. Trotzdem wird in dem als Gutschrift verwendeten Dokument Umsatzsteuer offen ausgewiesen. Der Gutschriftsempfänger schuldet den unberechtigten Steuerausweis nach § 14c Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UStG, wenn er dem als Gutschrift verwendeten Dokument nicht unverzüglich widerspricht.

Praxis-Beispiel:
Ein Nichtunternehmer, z. B. eine Privatperson, verkauft einen Pkw an einen Gebrauchtwagenhändler. Dieser stellt vereinbarungsgemäß eine Gutschrift aus, in der er die Umsatzsteuer gesondert ausweist. Der Nichtunternehmer widerspricht diesem Dokument nicht unverzüglich. Der Nichtunternehmer schuldet die ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UStG.

Quelle:BMF-Schreiben | Veröffentlichung | III C 2 – S 7295/00005/003/080 | 07-07-2025

Nutzung elektronischer Rechnungen seit dem 1.1.2025

Seit dem 1.1.2025 sieht § 14 UStG vor, dass bei Umsätzen zwischen inländischen Unternehmern Rechnungen elektronisch zu übermitteln sind – abgesehen von Übergangsregelungen. Konsequenterweise erfordert die Neuregelung eine entsprechende Anpassung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses. Diese Anpassung liegt nunmehr als Entwurf vor und hat einen Umfang von 31 Seiten. Nachfolgend sind einige wichtige Punkte erläutert.

Auch wenn seit dem 1.1.2025 Rechnungen elektronisch übermittelt werden sollen, dürfen zunächst auch sonstige Rechnungen verwendet werden. Als sonstige Rechnungen gelten seit dem 1.1.2025 alle Rechnungen in Papierform oder in elektronischen Formaten, die nicht den Vorgaben von § 14 Absatz 1 Satz 6 UStG entsprechen – also ein anderes elektronisches Format haben. Dazu zählen auch alle nicht strukturierten elektronischen Dateien, zum Beispiel PDF-Dateien ohne integrierte Datensätze, Bilddateien oder E-Mails. Auch eine Datei, die auf Grund von Formatfehlern die Anforderungen an das strukturierte elektronische Format einer E-Rechnung nicht erfüllt, kann eine sonstige Rechnung in einem anderen elektronischen Format darstellen.

Die Regelungen zur verpflichtenden Verwendung von E-Rechnungen gelten ebenso für die Rechnungsausstellung in Form einer Gutschrift sowie für Rechnungen 

  • über Umsätze, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet (§ 13b UStG), wenn sowohl Leistender als auch Leistungsempfänger im Inland ansässig sind, 
  • über Umsätze, die der Durchschnittssatzbesteuerung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe unterliegen (§ 24 UStG),
  • über Reiseleistungen (§ 25 UStG) und
  • für Umsätze, bei denen die Differenzbesteuerung (§ 25a UStG) angewendet wird.

Sie gelten auch, wenn der Rechnungsempfänger ein 

  • Kleinunternehmer ist oder
  • Land- und Forstwirt ist oder
  • ausschließlich steuerfreie Umsätze (z.B. Vermieter einer Wohnung) ausführt.

Ebenso gelten die Regelungen, wenn nur Teile der abgerechneten Leistungen der Pflicht zur Verwendung einer E-Rechnung unterliegen (z. B. bei teilweise steuerpflichtigen, teilweise nach § 4 Nummer 8 bis 29 UStG steuerfreien Umsätzen).

Kleinbetragsrechnungen, Rechnungen von Kleinunternehmern und Fahrausweise
Rechnungen, 

  • deren Gesamtbetrag 250 € nicht übersteigt (Rechnungen über Kleinbeträge),
  • Rechnungen von Kleinunternehmern und
  • die als Fahrausweise, die für die Beförderung von Personen ausgegeben werden,

können abweichend von der Verpflichtung in § 14 UStG immer als sonstige Rechnung ausgestellt und übermittelt werden. 

Die Verwendung einer sonstigen Rechnung in einem anderen elektronischen Format bedarf der Zustimmung des Empfängers (§ 14 Absatz 1 Satz 5 UStG), die allerdings keiner besonderen Form bedarf und auch konkludent erfolgen kann. Die Ausstellung und Übermittlung einer E-Rechnung ist auch in diesen Fällen immer ohne Zustimmung des Empfängers möglich. E-Rechnungen können sowohl in einem rein strukturierten als auch in einem hybriden Format erstellt werden. Ein zulässiges elektronisches Rechnungsformat muss insbesondere gewährleisten, dass die Rechnungsangaben nach §§ 14, 14a UStG elektronisch übermittelt und ausgelesen werden können. 

  • Die Verwendung von strukturierten Rechnungsformaten, die der Normenreihe EN 16931 entsprechen, ist immer zulässig.
  • Daneben können unter bestimmten Voraussetzungen auch von der Normenreihe EN 16931 abweichende strukturierte elektronische Rechnungsformate verwendet werden, z. B. EDI-Verfahren nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches, ABl. L 338 vom 28. Dezember 1994, S. 98.
Quelle:BMF-Schreiben | Veröffentlichung | III C 2 – S 7287-a/00019/007/230 | 03-07-2025

Freiwillige Zahlungen für Internetangebot

Stehen Zahlungen, die Besucher einer Website freiwillig an den Betreiber einer Website leisten, in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer sonstigen Leistung des Betreibers der Website, wenn dieser dort einen kostenlos zu nutzenden Inhalt bereitstellt und über diese Website zur Finanzierung dieser Inhalte die Besucher der Website zu freiwilligen Zahlungen aufruft?

Praxis-Beispiel: 
Der Betreiber stellte auf seiner Website Inhalte ein, die von Besuchern kostenlos genutzt werden können. Über diese Website rief der Betreiber die Besucher der Website auf, diese Inhalte freiwillig mit Zahlungen zu finanzieren. Das Finanzamt ging von einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Zahlungen und den sonstigen Leistungen des Betreibers der Website aus und unterwarf die Zahlungen der Besteuerung.

Der BFH hat die Revision zugelassen, um die Rechtsfrage zu klären, ob diese Zahlungen, die Besucher einer Website freiwillig an den Betreiber dieser Website leisten, in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer sonstigen Leistung des Betreibers der Website stehen und damit der Umsatzsteuer unterliegen.

Quelle:BFH | Beschluss | V B 25/24 | 18-05-2025

Rechnungskorrektur: Anforderungen für den Vorsteuerabzug

Die Korrektur eines Dokuments, das dem Schriftformerfordernis, das für den Vorsteuerabzug maßgeblich ist, nicht entspricht, kann nicht mit Wirkung für die Vergangenheit berichtigt werden. Grund: In diesem Fall liegt keine Rechnungsberichtigung vor, sondern eine erstmalige Rechnungserteilung.

Rückwirkende Sicherung des Vorsteuerabzugs: Eine fehlerhafte Rechnung kann zwar jederzeit berichtigt werden. Es müssen nur die fehlenden oder unzutreffenden Angaben durch ein Dokument, das spezifisch und eindeutig auf die Rechnung bezogen ist, übermittelt werden. Die Berichtigung einer Rechnung wirkt jedoch nicht zurück, wenn wesentliche Bestandteile der Rechnung fehlen oder fehlerhaft sind. Der Vorsteuerabzug ist dann erst für den Zeitraum möglich, in welchem dem Leistungsempfänger die berichtigte Rechnung übermittelt wird bzw. dem Berichtigungsantrag nach Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens entsprochen wird.

Wichtig! Es kommt also darauf an, ob überhaupt eine Rechnung vorliegt bzw. welche Angaben in der Rechnung fehlen oder fehlerhaft sind (EuGH-Urteil vom 15.6.2016, C-518/14 und BFH-Urteil vom 20.10.2016, V R 26/15). Nur bei nicht „wesentlichen“ Daten ist eine rückwirkende Berichtigung möglich In diesen Fällen bleibt mit einer Rechnungsberichtigung der Anspruch auf den Vorsteuerabzug im Jahr der erstmaligen Rechnungserteilung bestehen. Voraussetzung ist, dass eine sogenannte rückwirkend berichtigungsfähige Rechnung vorliegt. Das heißt, es muss eine Rechnung vorliegen, die außerdem rückwirkend berichtigungsfähig ist. Dazu muss sie Angaben zum Rechnungsaussteller, Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung sowie zum Entgelt enthalten und die Umsatzsteuer gesondert ausweisen. 

Der BFH hat die Revision zurückgewiesen, weil es hier nicht darauf ankommt, dass "die grundsätzliche Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung" allgemein bestätigt wird. Im Streitfall mangelt es daran, dass das ursprüngliche Abrechnungsdokument nicht in Schriftform vorliegt. Konsequenz ist somit, dass es nicht um die Rückwirkung einer erstmaligen Rechnung geht. Damit fehlt es an der Grundlage für "eine offensichtliche Divergenz sowohl zur Rechtsprechung des EuGH als auch zu derjenigen des BFH" in Bezug auf die Frage der Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung.

Quelle:BFH | Beschluss | V B 61/23 | 29-05-2025

Umsatzsteuer-Identifikationsnummer: Bestätigung

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat hinsichtlich der Bestätigung einer ausländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) geändert. 

Abschnitt 18e.1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) wird geändert und es wird klargestellt, dass Anfragen zur Bestätigung ausländischer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern nach § 18e UStG ausschließlich über die vom Bundeszentralamt für Steuern im Internet bereitgestellte Online-Abfrage durchgeführt werden können.

Quelle:BMF-Schreiben | Veröffentlichung | III C 5 – S 7427-d/00014/001/002 | 05-06-2025

Umsatzsteuer: Reitunterricht als Freizeitgestaltung

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass die Erteilung von Reitunterricht nicht von der Umsatzsteuer befreit ist. Ausnahme: Der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung.

Praxis-Beispiel:
Der Kläger begehrte die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof. In der "Ponygruppe" wurden Kinder und Jugendliche, bei "Klassenfahrten" im Umgang mit Pferden unterrichtet. Zudem wurden Kurse für eine "Große Pferdegruppe" angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden überdies verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof. 
Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig sind. Das Finanzgericht sah dies allerdings größtenteils anders. Die Umsätze seien insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben ("Große Pferdegruppe").

Der BFH hat sich der Entscheidung des Finanzgerichts nicht in allen Teilen angeschlossen. Er hat klargestellt, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hat weiter hervorgehoben, dass Reitunterricht (als spezialisierter Unterricht) kein "Schul- und Hochschulunterricht" ist. Entsprechendes ist bereits für Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- und Tanzschulen entschieden worden. Die Einstufung von Reitunterricht als "Ausbildung" oder "Fortbildung" kommt nach Auffassung des BFH nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung, weil er nicht auf einen bestimmten Beruf vorbereitet. Die Auffassung des BFH ist  insoweit strenger als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht (Abschnitt 4.21 Abs. 8 UStAE). Die Kurse der "Ponygruppe" und für Schulklassen im Rahmen der "Klassenfahrten" sind daher umsatzsteuerpflichtig. Aber! Bei den Kursen der "Großen Pferdegruppe" lagen hingegen die strengen Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei.

Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen hat der BFH ausgeführt, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung (§ 4 Nr. 23 UStG a.F.) nur dann in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Der Kläger konnte eine solche Anerkennung nicht vorweisen. Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger eben nicht ist.

Quelle:BFH | Urteil | XI R 9/22 | 21-01-2025

Umsatzsteuer in der Systemgastronomie

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass der Burger im Spar-Menu nicht teurer sein darf, als der einzeln verkaufte Burger. Eine Methode zur Aufteilung des Verkaufspreises eines Spar-Menüs, die dazu führt, dass auf ein Produkt des Spar-Menüs (z. B. Burger) ein anteiliger Verkaufspreis entfällt, der höher ist als der Einzelverkaufspreis ist daher nicht sachgerecht.

Praxis-Beispiel:
Im Urteilsfall betrieben zwei GmbHs als Franchisenehmerinnen Schnellrestaurants, in denen u.a. Spar-Menüs (z. B. Getränk, Burger und Pommes Frites) zu einem einheitlichen Gesamtpreis zum Verzehr außer Haus verkauft wurden. Umsatzsteuerrechtlich handelt es sich dabei, wie der BFH bestätigt hat, um zwei Lieferungen: 

  • Die Lieferung des Getränks unterliegt dem Regelsteuersatz (19%) und 
  • die Lieferung der Speisen unterliegt dem ermäßigten Steuersatz (7%).

Seit dem 1.7.2014 teilten die beiden GmbHs den Gesamtpreis des Spar-Menüs nach der "Food-and-Paper"-Methode auf die Speisen und das Getränk auf. Die Aufteilung erfolgt dabei anhand des Wareneinsatzes, das heißt der Summe aller Aufwendungen für die Speisen bzw. für das Getränk. Da in der Gastronomie die Gewinnspanne auf Getränke typischerweise deutlich höher ist als die Gewinnspanne auf Speisen, ergäbe sich hieraus typischerweise eine niedrigere Umsatzsteuer als bei einer Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen. Das Finanzamt hielt die Aufteilung nach der "Food-and-Paper"-Methode für unzulässig, weil sie nicht so einfach sei, wie eine Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen und außerdem nicht zu sachgerechten Ergebnissen führe. Das Finanzgericht hielt die "Food-and-Paper"-Methode hingegen für zulässig.

Der BFH folgte der Auffassung des Finanzgerichts im Ergebnis nicht. Er führte zwar zunächst aus, dass – entgegen der Auffassung des Finanzamts – der Unternehmer nicht immer die einfachstmögliche Methode anwenden muss. Wenn eine andere Methode zumindest ebenso sachgerecht ist, wie die Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen, darf er auch die andere Methode anwenden.

Der BFH erkannte die "Food-and-Paper"-Methode gleichwohl nicht an, weil sie in manchen Fällen dazu führt, dass der Preis eines Burgers mit einem hohen Wareneinsatz im Menü über dem Einzelverkaufspreis des Burgers liegen würde. Es widerspricht aus Sicht des BFH der wirtschaftlichen Realität, dass der Verkaufspreis eines Produkts in einem mit Rabatt verkauften Menü höher sein könnte als der Einzelverkaufspreis. Eine Methode, die dazu führt, ist nicht sachgerecht.

Daneben hat der BFH in seinem nicht amtlich veröffentlichten Urteil vom 22.01.2025 – XI R 22/22 in einem gleich gelagerten Fall eine ähnliche Methode ebenfalls nicht anerkannt.

Quelle:BFH | Urteil | XI R 19/23 | 21-01-2025

Differenzbesteuerung nach der Gesamtdifferenz

Bei der Differenzbesteuerung ist die Umsatzsteuer nur für den Unterschied zwischen An- und Verkaufspreis zu zahlen. Begünstigt sind nur Wiederverkäufer, die mit beweglichen Wirtschaftsgütern handeln. Voraussetzung ist, dass die Gegenstände ohne Vorsteuerabzug erworben wurden, um sie anschließend wieder zu verkaufen. Für Gegenstände mit einem Einkaufswert von nicht mehr als 750 € (bis 31.12.2024 = 500 €) kann wahlweise die Umsatzsteuer nach der Gesamtdifferenz ermittelt werden. Die Umsatzsteuer wird dann aus dem Unterschiedsbetrag berechnet, der sich aus der Summe der in einem Jahr erworbenen und verkauften Wirtschaftsgüter ergibt. 

Praxis-Beispiel:
Ein Unternehmer handelt mit gebrauchten Gegenständen, die er bei Haushaltsauflösungen oder ähnlichen Anlässen aufkauft. Aus einem Nachlass hat er eine Vielzahl von Gegenständen für einen Gesamtpreis von 4.000 € gekauft. In diesem Nachlass sind ein antiker Schrank (Schätzpreis 1.400 €) und ein antiker Schreibtisch (Schätzpreis 1.600 €) enthalten. Auf den gesamten Rest entfallen 1.000 €, wobei keiner der Gegenstände einen Wert von mehr als 750 € hat. Den Ein- und Verkauf des antiken Schranks und Schreibtischs darf der Unternehmer nicht in die Gesamtdifferenz einbeziehen. Hierfür muss er Einzeldifferenzen bilden. Für die restlichen Gegenstände, die einzeln nicht mehr als 750 € wert sind, darf der Unternehmer die Bemessungsgrundlage nach der Gesamtdifferenz ermitteln. 

Bei der Gesamtdifferenz besteht der Vorteil darin, dass nicht jedes eingekaufte Teil einem bestimmten Verkauf zugeordnet werden muss. Er muss lediglich bei jedem einzelnen Einkauf das Datum und den Gesamteinkaufspreis ausweisen, damit er später beim Verkauf die Gesamtdifferenz bilden kann. Eine Beschränkung auf bestimmte Arten von Gegenständen dieser Preisgruppe ist nicht zulässig. Beim Warenverkauf erfasst der Unternehmer zunächst die Bruttowerte und teilt sie dann

  • in einen umsatzsteuerfreien und
  • in einen umsatzsteuerpflichtigen Anteil auf.

Hinweis zur Berechnung der Gesamtdifferenz
Die positive Gesamtdifferenz darf immer nur für den Ein- und Verkauf eines Kalenderjahres gebildet werden. Eine Verrechnung mit negativen Einzeldifferenzen ist ebenso wenig möglich wie die Verrechnung einer negativen Gesamtdifferenz mit positiven Einzeldifferenzen. Auch eine Verrechnung mit Vorjahreswerten ist unzulässig.

Differenzbesteuerung: Gesamtdifferenz nur bei Gegenständen bis 750 €
Für Wiederverkäufer, die eine Vielzahl von Gegenständen zu einem geringen Preis einkaufen, ist es mühsam, für jedes einzelne Teil eine Differenz zu bilden. Das ist z. B. bei einem Second-Hand-Shop für Kleidung der Fall oder bei Händlern, die Flohmärkte besuchen. 

Bei Gegenständen, deren Einkaufspreis 750 € nicht überschreiten, hat der Wiederverkäufer ein Wahlrecht. Er kann anstelle der Einzeldifferenz eine Gesamtdifferenz bilden. Die Gesamtdifferenz ermittelt er wie folgt:
Summe der Verkaufspreise eines Besteuerungszeitraums (eines Jahres)
– Summe der Einkaufspreise desselben Zeitraums
= Bemessungsgrundlage für die Gesamtdifferenz

Liegt der Gesamtkaufpreis für Sachgesamtheiten oder für eine Menge von Gegenständen nicht über 750 €, ist eine Aufschlüsselung der Einkaufspreise nicht erforderlich. Das ist z. B. häufig beim Kauf von Sammlungen oder Nachlässen der Fall. Liegt der Gesamtpreis nicht über 750 €, können einzelne Gegenstände diesen Grenzwert logischerweise ebenfalls nicht überschreiten. Maßgebend ist der tatsächlich gezahlte Einkaufspreis.

Liegt der Gesamtpreis über 750 € ist zu prüfen, ob in der Gesamtsumme Gegenstände enthalten sind, die über 750 € liegen und auch einzeln verkauft werden. Der Wiederverkäufer muss den Wert für diese Gegenstände gegebenenfalls schätzen und eine Einzeldifferenz bilden, soweit der Wert eines Gegenstands über 750 € liegt. Vorsicht: Falls die Gesamtdifferenz negativ ausfällt, beträgt die Umsatzsteuer 0 €. Die negative Gesamtdifferenz darf nicht auf das nachfolgende Jahr übertragen werden. Das gilt auch dann, wenn dadurch die Belastung mit Umsatzsteuer zu hoch ausfällt.

Quelle:UStG | Gesetzliche Regelung | § 25a | 22-05-2025

Hochzeits- und Trauerredner: Umsatzsteuer 19%

Der Vortrag von immer nach dem gleichen Grundschema aufgebauten sogenannten Gebrauchsreden einer Trauerrednerin, die im Kern eine Trauerrede nach traditionellem Verständnis mit der Würdigung des Verstorbenen vor der versammelten Trauergemeinde zum Gegenstand haben, stellt keine künstlerische Darbietung eines ausübenden Künstlers im Sinne des Umsatzsteuergesetzes dar. Die Tätigkeit als Hochzeitsrednerin unterliegt jedenfalls dann dem Regelsteuersatz von 19%, wenn die erbrachte Leistung neben dem Halten einer Rede auch die Durchführung der gesamten Zeremonie umfasst.

Der ermäßigte Steuersatz von 7% ist hier nicht anzuwenden, weil der Zweck der Steuerermäßigung nur für eine punktuelle staatliche Kulturförderung gilt. Die Kunstfreiheit begründet nicht ohne weiteres einen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Steuerermäßigung. Die Tatbestände für eine Steuerermäßigung nach dem Umsatzsteuergesetz finden ihre Grenzen, bei der einschränkenden Auslegung und Anwendung der unionsrechtlichen Vorgaben.

Quelle:Finanzgerichte | Urteil | FG Düsseldorf, 1 K 1459/22 U | 26-09-2024