Sonderabschreibung für den Bau neuer Mietwohnungen

Die steuerliche Förderung des Mietwohnungsbaus nach § 7b EStG wurde durch das Wachstumschancengesetz verlängert und ergänzt. Die bisherigen Regelungen wurden durch das Jahressteuergesetz 2022 verlängert und ergänzt. Unverändert gilt, dass für die Anschaffung und Herstellung neuer Wohnungen neben der linearen Abschreibung eine Sonderabschreibung beansprucht werden kann. Die Sonderabschreibung beträgt im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren jährlich bis zu 5% der Bemessungsgrundlage. Anschaffungen sind nur begünstigt, wenn eine Wohnung neu ist, d.h., wenn sie bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft wird. Die Sonderabschreibung kann dann nur der Anschaffende in Anspruch nehmen.

Die Sonderabschreibung kann nur beansprucht werden, wenn der Bauantrag oder die Bauanzeige

  • nach dem 31.8.2018 und vor dem 1.1.2022 oder
  • nach dem 31.12.2022 und vor dem 1.10.2029 (bisher 1.1.2027) 

gestellt wurde bzw. wird und neuer Wohnraum in einem Gebäude geschaffen wird, der bisher nicht vorhanden war und der für die entgeltliche Überlassung zu Wohnzwecken geeignet ist. Die Voraussetzungen des § 181 Abs. 9 des BewG müssen erfüllt sein, sodass auch Nebenräume, die zu einer Wohnung gehören, einzubeziehen sind. 

Die Wohnung muss im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden neun Jahren der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen. Wohnungen dienen nicht Wohnzwecken, soweit sie nur zur vorübergehenden Beherbergung von Personen genutzt werden. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten dürfen für Wohnungen, 

  1. die aufgrund eines nach dem 31.8.2018 und vor dem 1.1.2022 gestellten Bauantrags oder einer in diesem Zeitraum getätigten Bauanzeige hergestellt werden, 3.000 € je Quadratmeter Wohnfläche nicht übersteigen,
  2. die aufgrund eines nach dem 31.12.2022 und vor dem 1.1.2029 gestellten Bauantrags oder einer in diesem Zeitraum getätigten Bauanzeige hergestellt werden, 5.200 € (bisher 4.800 €) je Quadratmeter Wohnfläche nicht übersteigen. Der neue Wert gilt ab dem Veranlagungszeitraum 2023.

Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibungen sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der begünstigten und förderfähigen Wohnung, jedoch

  • maximal 2.000 € je m² Wohnfläche für Wohnungen, die aufgrund eines nach dem 31.8.2022 und vor dem 1.1.2022 gestellten Bauantrags oder einer in diesem Zeitraum getätigten Bauanzeige hergestellt werden,
  • maximal 4.000 € je m² (bisher 2.500 €) für Wohnungen, die aufgrund eines nach dem 31.12.2022 und vor dem 1.1.2027 gestellten Bauantrags oder einer in diesem Zeitraum getätigten Bauanzeige hergestellt werden. Der neue Wert gilt ab dem Veranlagungszeitraum 2023.

Die in Anspruch genommenen Sonderabschreibungen sind rückgängig zu machen, soweit 

  • die Wohnung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden neun Jahren nicht der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dient, 
  • die Wohnung oder ein Gebäude mit begünstigten Wohnungen im Jahr der Anschaffung oder der Herstellung und in den folgenden neun Jahren veräußert wird und der Veräußerungsgewinn nicht der Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuer unterliegt oder 
  • die Baukostenobergrenze innerhalb der ersten drei Jahre nach Anschaffung oder Herstellung der neuen Wohnung durch nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten überschritten wird. 

Die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung ist daran gekoppelt, dass das Gebäude, in dem die neue Wohnung hergestellt wird, die Kriterien für ein "Effizienzhaus 40" mit Nachhaltigkeitsklasse/ Effizienzgebäude-Stufe 40 erfüllt und dies durch Qualitätssiegel „Nachhaltiges Gebäude“ nachgewiesen wird.

Quelle:EStG | Gesetzesänderung | § 7b EStG i.d.F. des Wachstumschancengesetzes | 27-03-2024

Doppelte Haushaltsführung: Entfernung

Bei einer doppelten Haushaltsführung müssen der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort auseinanderfallen. Nur dann ist der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes beschäftigt, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält. Somit liegt keine doppelte Haushaltsführung vor, wenn der Steuerpflichtige aus beruflichen Gründen einen Zweithaushalt am Beschäftigungsort führt und auch der vorhandene eigene Hausstand am Beschäftigungsort belegen ist.

Praxis-Beispiel:
Die Kläger sind Eheleute und beziehen jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit sowie aus Vermietung und Verpachtung. Der Kläger ist seit dem 1.8.2018 als Geschäftsführer bei einer GmbH & Co. KG tätig. Die Entfernung zwischen der Wohnung des Klägers und seiner Arbeitsstätte beträgt ca. 30 km. Ab dem 13.2.2020 mietete der Kläger in der Nähe der GmbH & Co. KG eine Zweitwohnung mit einer Wohnfläche von 46,11 qm an. Zuvor hatte er eine Ferienwohnung angemietet. In ihrer Einkommensteuererklärung machte der Kläger Umzugskosten und Mehraufwendungen für eine beruflich bedingte doppelte Haushaltsführung geltend, die das Finanzamt nicht berücksichtigte. Vielmehr erkannte es nur wenige Werbungskosten an, was zum Ansatz des Arbeitnehmerpauschbetrags führte. Im Bescheid führte es aus, dass die Voraussetzungen für eine beruflich bedingte doppelte Haushaltsführung aufgrund der nur geringen Entfernung zwischen Hauptwohnsitz und Zweitwohnsitz nicht vorliegen.

Das Finanzgericht hat entschieden, dass das Finanzamt die geltend gemachten Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung zu Recht nicht berücksichtigt hat. Eine doppelte Haushaltsführung ist nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige in einer Wohnung am Beschäftigungsort aus beruflichen Gründen einen Zweithaushalt führt und auch der vorhandene "eigene Hausstand" am Beschäftigungsort belegen ist. Der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort fallen dann nicht auseinander. Die Entscheidung darüber, ob die Wohnung so zur Arbeitsstätte gelegen ist, dass der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise täglich von dort seine Arbeitsstätte aufsuchen kann, obliegt in erster Linie der Würdigung durch das Finanzgericht.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist der eigene Hausstand nur dann am Beschäftigungsort belegen, wenn der Arbeitnehmer – unabhängig von Gemeinde- oder Landesgrenzen – seine Arbeitsstätte täglich aufzusuchen kann. Eine Mindestentfernung zwischen Haupt- und beruflicher Zweitwohnung gibt das EStG nicht vor. Haupt- und Zweitwohnung können sich deshalb in Ausnahmefällen sogar in derselben politischen Gemeinde befinden. Wesentlich ist somit die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und die Zeitdauer, die der Arbeitnehmer benötigt, um diese Strecke zurückzulegen. Dabei sind Wegezeiten von etwa einer Stunde zumutbar. Im Einzelfall ist dies von den individuellen Verkehrsverbindungen und Wegezeiten zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte abhängig. 

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze fallen der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort des Klägers nicht auseinander. Denn der Kläger kann seine Arbeitsstätte von seinem ca. 30 km entfernten Hausstand mit dem PKW im Berufsverkehr innerhalb von 50 bis 55 Minuten erreichen (lt. Google Maps-Routenplaner). Da die üblichen Wegezeiten maßgeblich sind, ist nicht darauf abzustellen, dass die Fahrzeit zeitweise im Einzelfall aufgrund von Baustellen länger gedauert hat. Außerhalb des Berufsverkehrs beträgt die Fahrzeit nur ca. 30 Minuten (lt. Google Maps-Routenplaner).

Quelle:Finanzgerichte | Urteil | FG Münster, 1 K 1448/22 E | 05-02-2024

Pflegepauschbetrag: Voraussetzungen

Die Gewährung des Pflege-Pauschbetrags (§ 33b Abs. 6 EStG) setzt voraus, dass es sich um Aufwendungen handelt, die zwangsläufig entstanden sind. Eine Zwangsläufigkeit aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen liegt vor, wenn diese Gründe von außen so auf den Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht ausweichen kann. Zu den Pflegeleistungen gehören Hilfeleistung bei Verrichtungen des täglichen Lebens, bei denen der Pflegebedürftige Hilfe benötigt.

Praxis-Beispiel:
Die Mutter des Klägers wohnte in einer eigenen Wohnung. Der Kläger hat seine Mutter im Jahr 2022 fünf Mal über mehrere Tage besucht und sie dort unterstützt, indem er ihr bei der Körperpflege, beim An- und Auskleiden, bei den Mahlzeiten sowie beim Verlassen der Wohnung geholfen hat. In der übrigen Zeit hat er organisatorische Dinge für sie erledigt. Er machte den Pflegepauschbetrag geltend, weil nach dem Wortlaut des Gesetzes keine Mindestpflegedauer zu entnehmen sei. Es werde vielmehr nur vorausgesetzt, dass Aufwendungen für die Pflege entstanden seien. 
Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung des Pflegepauschbetrags ab, weil dem Kläger keine Mehraufwendungen finanzieller Art entstanden seien, die nach Art und Höhe außergewöhnlich wären. Der Kläger hat seine Mutter fünf Mal im Jahr besucht, was er wohl auch dann getan hätte, wenn sie gesund gewesen wäre. Trotz der größeren Entfernung ist dies bei einer älteren und alleinlebenden nahen Angehörigen noch im mittleren Bereich des Üblichen. Eine krankheitsbedingte Häufung oder längere Dauer ist somit im Jahr 2022 nicht erkennbar. Die Pflege muss auch mehr als geringfügig sein und über die üblichen familiären Hilfestellungen hinausgehen. Dazu muss die pflegende Person mehr Zeit mit der gepflegten Person verbringen, als sie sonst für die Besuche bei ihren Eltern aufgewandt hätte.

Ein Steuerpflichtiger kann anstelle der tatsächlichen Aufwendungen, die ihm durch die Pflege einer Person entstehen, einen Pauschbetrag geltend machen (Pflege-Pauschbetrag), wenn er dafür keine Einnahmen im Kalenderjahr erhält und er die Pflege entweder in seiner Wohnung oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen persönlich durchführt. Das Finanzgericht hat entschieden, dass nicht erkennbar ist, dass dem Kläger Mehraufwendungen finanzieller Art entstanden sind, die nach ihrer Art und Höhe außergewöhnlich sind. Denn der Kläger hätte seine Mutter auch dann mehrmals im Jahr besucht, wenn sie gesund gewesen wäre. Eine krankheitsbedingte Häufung oder längere Dauer ist im Streitjahr nicht erkennbar. Die Pflege muss außerdem mehr als nur geringfügig sein und über die (bei einem älteren Angehörigen) üblichen familiären Hilfestellungen hinausgehen. 

Die Mutter des Klägers hatte zum Beginn des Jahres 2022 bereits seit über 15 Monaten Pflegestufe 3 gehabt, aber noch einen eigenen Haushalt geführt. Ihre Unterbringung im „betreuten Wohnen“ zeigt, dass sie nur gelegentlich Hilfe benötigte und nachts nicht überwacht und versorgt werden musste. Die Übernahme von organisatorischen Tätigkeiten für die Mutter kann außerdem nicht mit der Pflege einer hilfebedürftigen Person gleichgestellt werden. Unter dem Begriff der Pflege ist die Hilfeleistung im täglichen Leben zu verstehen, bei der der Pflegebedürftige Hilfe benötigt, also regelmäßig wiederkehrende Unterstützungsleistungen im Bereich der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung.

Fazit: Dem Kläger steht für das Jahr 2022 kein Pflegepauschbetrag gemäß § 33b Abs. 6 EStG zu.

Quelle:Finanzgerichte | Urteil | FG Sachsen, 2 K 936/23 | 23-01-2024

Höhere Abschreibung für Wohngebäude

Das Wachstumschancengesetz hat nun alle Hürden genommen, sodass die neue degressive Abschreibung von 5% vom jeweiligen Restwert in Anspruch genommen werden kann bei

  • Gebäuden, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Staat belegen sind, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) angewendet wird, soweit sie Wohnzwecken dienen und vom Steuerpflichtigen
  • hergestellt werden, wenn der Beginn der Herstellung nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.10.2029 liegt oder
  • bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft werden, wenn die Anschaffung auf Grund eines nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.10.2029 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags erfolgt.

Im Jahr der Fertigstellung oder Anschaffung kann die Abschreibung nur zeitanteilig in Anspruch genommen werden. Die Abschreibung mindert sich um ein Zwölftel für jeden vollen Monat, der dem Monat der Anschaffung oder Herstellung vorangeht. Bei Gebäuden, bei denen die Absetzung für Abnutzung in fallenden Jahresbeträgen bemessen wird, sind Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung nicht zulässig. Der Übergang von der degressiven zur linearen Abschreibung ist zulässig, wobei die weitere Abschreibung vom Restwert vorzunehmen ist unter Berücksichtigung der Restnutzungsdauer und des maßgebenden Prozentsatzes.

Beginn der Herstellung: Es gilt das Datum der Baubeginnsanzeige, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften einzureichen ist. Sollte im Einzelfall keine Baubeginnsanzeige vorgeschrieben sein, hat der Steuerpflichtige zu erklären, dass er den Baubeginn gegenüber der zuständigen Baubehörde freiwillig angezeigt hat.

Quelle:EStG | Gesetzesänderung | § 7 Absatz 5a | 21-03-2024

Wasch-Service: Keine haushaltsnahe Dienstleistung

Die Kosten für einen sogenannten „Wasch-Service“ können nicht als haushaltsnahe Dienstleistung berücksichtigt werden, weil Leistungen, die außerhalb des Haushalts erbracht werden, nicht begünstigt sind. Die Dienstleistungen eines Wasch-Services wurden nämlich nicht im oder in der Nähe des Haushalts der Kläger ausgeführt, sondern in einem räumlich entfernt liegenden Gewerbebetrieb. Diese Leistungen weisen keinen (unmittelbaren) räumlichen Zusammenhang mit dem Haushalt auf, für den sie erbracht werden.

Praxis-Beispiel:
Die Kläger nahmen die Dienstleistungen eines sogenannten Wasch-Services in Anspruch. Diese Dienstleistungen wurden wie folgt ausgeführt: Die Wäsche wurde von den Kunden in einem vom Dienstleister zur Verfügung gestellten Behältnis („Comfort-Bag“) an einem Servicepoint abgegeben. Der Wäscheservice holt sie dort mehrmals wöchentlich ab, ließ sie in Reinigungsbetrieben waschen, reinigen und bügeln und brachte sie mehrmals wöchentlich wieder in die Servicepoints zurück , wo sie von den Kunden abgeholt wird.

Bei begünstigten haushaltsnahen Dienstleistungen ermäßigt sich die Einkommensteuer auf Antrag um 20% der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens um 4.000 €. Voraussetzung ist, dass die Dienstleistung in einem Haushalt des Steuerpflichtigen, der in der Europäischen Union (EU) oder dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) liegt, erbracht werden.

Der Begriff "haushaltsnahe Dienstleistung" ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Nach der Rechtsprechung des BFH müssen die Leistungen eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung aufweisen bzw. damit im Zusammenhang stehen. Dazu gehören hauswirtschaftliche Tätigkeiten, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts erledigt werden und in regelmäßigen Abständen anfallen.

Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut sind Leistungen, die außerhalb des Haushalts erbracht werden, nicht begünstigt, auch wenn sie für den Haushalt erbracht werden. Ein bloßes Abstellen auf den Leistungserfolg würde zu einer rein funktionalen Betrachtungsweise führen, die vom Wortlaut des Gesetzes nicht gedeckt ist. Die räumliche Verbindung zum Haushalt kann nicht allein dadurch begründet werden, dass sich die Leistung auf einen Haushaltsgegenstand bezieht.

Fazit: Bei den Leistungen eines Wasch-Service handelt es sich nicht um haushaltsnahe Dienstleistungen, weil es an der räumlichen Nähe der ausgeführten Dienstleistungen zum Haushalt fehlt. Das heißt, dass es nicht allein darauf ankommt, ob der Leistungserfolg für den Haushalt eintritt.

Quelle:Finanzgerichte | Urteil | FG Münster, 12 K 1090/21 E | 14-12-2023

Solidaritätszuschlag: Verfassungsbeschwerde

Die Bundesrechtsanwaltskammer hat zu einer Verfassungsbeschwerde des FDP-Vorstands Stellung genommen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Weitererhebung des Solidaritätszuschlags über das Jahr 2020 hinaus verfassungsrechtlich nicht mehr zulässig ist, weil sie nicht mehr durch Artikel 106 Abs. 1 Nr. 5 des Grundgesetzes gedeckt ist. Das Grundgesetz lässt zusätzliche Abgaben nur als ergänzende Abgaben bei Bedarfsspitzen zu – wie es bei der Wiedervereinigung der Fall war. 

Die Erhebung des allgemeinen Solidaritätszuschlags für alle wurde Ende 2019 umgewandelt, sodass es sich nunmehr um einen Sonderzuschlag für rund 10% der Steuerpflichtigen handelt. Dies verstößt nach der Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer außerdem gegen den Gleichheitssatz des Artikel 3 des Grundgesetzes.

Fazit: Gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags sollte unter Hinweis auf das anhängige Verfahren beim BVerfG (Az. 2 BvR 1505/20) Einspruch eingelegt und eine Aussetzung des Einspruchsverfahrens beantragt werden.

Quelle:Sonstige | Veröffentlichung | Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer | 07-03-2024

Kindergeld: Monatsanfang entscheidet über Anspruch

Wenn mehrere Personen im selben Monat kindergeldberechtigt sind, ist die Person vorrangig berechtigt, die zu Beginn dieses Monats die Voraussetzungen erfüllt.

Praxis-Beispiel:
Der Kläger und sein Lebenspartner nahmen am 7.12.2020 ein Kind, das im November 2020 von einer obdachlosen Mutter zur Welt gebracht wurde, in ihren Haushalt auf und wurden dadurch zu dessen Pflegeeltern. Die Pflegeeltern bestimmten untereinander, wer von Ihnen berechtigt sein soll. Die Familienkasse gewährte ihm das Kindergeld ab Januar 2021 und lehnte das Kindergeld für die Monate November und Dezember 2020 ab. Infolgedessen versagte die Familienkasse dem Kläger auch den Kinderbonus für das Jahr 2020. 
Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht jedoch sah die Klage im Hinblick auf das Kindergeld für den Monat Dezember 2020 und ebenso im Hinblick auf den Kinderbonus 2020 als begründet an.

Der BFH teilte diese Auffassung nicht und hob das Urteil des Finanzgerichts auf. Für den Bezug des Kindergelds sind nach Auffassung des BFH die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend, die am Monatsanfang bestanden haben. Zu Beginn des Monats Dezember 2020 waren noch allein die leiblichen Eltern des Kindes kindergeldberechtigt. Bei ihnen setzt der Kindergeldanspruch (anders als bei Pflegeeltern) keine Aufnahme des Kindes in ihren Haushalt voraus. Deshalb waren sie gegenüber den erst im Laufe des Monats Dezember 2020 hinzugekommenen Pflegeeltern für diesen Monat vorrangig kindergeldberechtigt.

Konsequenz: Durch die Haushaltsaufnahme bei den Pflegeeltern am 7.12.2020 ist der Anspruchsvorrang des Klägers erst ab dem Folgemonat zu berücksichtigen (hier also ab Januar 2021). Aufgrund dessen hatte der Kläger auch keinen Anspruch auf den Kinderbonus für das Jahr 2020, da dieser einen Anspruch auf Kindergeld im Jahr 2020 voraussetzte.

Quelle:BFH | Urteil | III R 5/23 | 17-01-2024

Vorsorglicher Wohnungsumbau: Keine außergewöhnliche Belastung

Ein sich stetig verschlechternder Gesundheitszustand stellt keine Besonderheit dar, die es rechtfertigen würde, Aufwendungen für einen vorausschauenden Wohnungsumbau als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Praxis-Beispiel:
Die Kläger machten in ihrer Einkommensteuererklärung 2018 außergewöhnliche Belastungen für den altersbedingten Hausumbau in Höhe von 94.807,79 € geltend. Die Kläger legten einen Bescheid vom 29.10.2019 vor, in dem beim Kläger ab dem 23.9.2019 ein Grad der Behinderung von 60 und das Merkzeichen G festgestellt wurde. Weiter legten sie eine ärztliche Bescheinigung vor, in der ärztlicherseits bestätigt wird, dass bei der Klägerin und dem Kläger aus medizinischer Sicht „aus multiplen internistischen und orthopädischen Gründen“ ein altersgerechter bzw. behindertengerechter Umbau der Wohnung dringend anzuraten ist.

Das Finanzamt kam zu dem Ergebnis, dass die Aufwendungen nicht zwangsläufig sind und daher nicht berücksichtigt werden können. Der medizinische Dienst sei vor Ort gewesen, habe aber keine Bescheinigung darüber ausgestellt, dass die Krankheit so fortgeschritten sei, dass die durchgeführten Maßnahmen als zwingend erforderlich erschienen wären. Der Kläger sei noch nicht auf Rollstuhl oder Rollator angewiesen. Bei einer anzunehmenden Verschlechterung des Krankheitsbildes könne dies in 2 bis 3 Jahren der Fall sein. Das Finanzamt erließ daraufhin den Einkommensteuerbescheid 2018 ohne Berücksichtigung der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen.

Das Finanzgericht lehnte eine Berücksichtigung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung ab. Entscheidet sich der Steuerpflichtige mit Blick auf seine fortschreitende Krankheit, ohne dass aktuell eine Zwangslage besteht, liegen keine sachlichen oder persönlichen Billigkeitsgründe vor, die eine abweichende Steuerfestsetzung rechtfertigen würden. Bei Maßnahmen, die durchaus sinnvoll, aber noch nicht erforderlich sind, um den existenznotwendigen Wohnbedarf zu befriedigen, liegen keine sachlichen oder persönlichen Billigkeitsgründe vor, die zu einer abweichenden Steuerfestsetzung führen können.

Fazit: Kosten für vorausschauende Umbaumaßnahmen können nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

Quelle:Finanzgerichte | Urteil | FG Nürnberg, 3 K 988/21 | 05-09-2023

Unterhalt: Gerichtskosten sind keine Werbungskosten

Prozesskosten zur Erlangung eines (höheren) nachehelichen Unterhalts sind nicht als Werbungskosten abziehbar, auch wenn der Unterhaltsempfänger die Unterhaltszahlungen im Rahmen des sogenannten Realsplittings versteuern muss.

Praxis-Beispiel:
Die Ehe der Klägerin wurde im Jahr 2014 geschieden und ihr früherer Ehemann verpflichtet, einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 582,50 € monatlich zu zahlen. Das von der Klägerin angestrengte Gerichtsverfahren endete mit einem Vergleich, bei dem sich frühere Ehemann zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 900 € bereit erklärte. Die Verfahrenskosten wurden gegeneinander aufgehoben. Die Klägerin zahlte die Gerichts- und Anwaltskosten im Jahre 2015.

Das Finanzamt erfasste die erhaltenen Unterhaltsleistungen als steuerpflichtige sonstige Einkünfte. Es ließ die von der Klägerin getragenen Anwalts- und Gerichtskosten nicht zum Abzug zu. Das Finanzgericht gab der Klage mit der Begründung statt, dass die Klägerin ohne diese Aufwendungen später keine Unterhaltseinkünfte hätte erzielen können. Daher stellen sie vorweggenommene Werbungskosten dar.

Der BFH hat entschieden, dass Unterhaltszahlungen dem Privatbereich zuzuordnen sind. Das gilt dann entsprechend auch die für die Prozesskosten. Steuerlich sind die Unterhaltszahlungen nur dann relevant, wenn der Geber mit Zustimmung des Empfängers einen Antrag auf Sonderausgabenabzug stellt (Realsplitting). Erst der Antrag überführt die privaten Unterhaltszahlungen in den steuerrechtlich relevanten Bereich. Somit erfolgt erst ab Antragstellung die Umqualifizierung zu Sonderausgaben beim Geber und zu steuerbaren Einkünften beim Empfänger. Diese zeitliche Grenze ist entscheidend für das Vorliegen abzugsfähiger Erwerbsaufwendungen. Zuvor verursachte Aufwendungen des Unterhaltsempfängers (Prozesskosten zur Erlangung von Unterhalt) könnten keine Werbungskosten darstellen.

Hinweis: Der BFH hat die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen, weil es keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Prozesskosten gegebenenfalls als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.

Quelle:BFH | Urteil | X R 7/20 | 17-10-2023

Erste Tätigkeitsstätte: Rettungssanitäter

Ordnet der Arbeitgeber seine Mitarbeiter einem Versorgungsbereich zu, in dem sie grundsätzlich dauerhaft, aber wechselnd auf Basis monatlich erstellter Dienstpläne in verschiedenen Rettungswachen eingesetzt werden, scheidet eine dauerhafte Zuordnung zu einer bestimmten Rettungswache aus.

Praxis-Beispiel:
Nach dem Arbeitsvertrag des Klägers gilt das Kreisgebiet des Landkreises als dessen Arbeitsort. Der Kläger hat eine Arbeitgeberbestätigung eingereicht, wonach keine dienst- und arbeitsrechtliche Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte festgelegt worden ist. Vielmehr hat der Arbeitgeber erläutert, die Mitarbeiter würden einem Versorgungsbereich zugeordnet, in dem sie grundsätzlich dauer-haft eingesetzt würden. Innerhalb dieses Bereichs war der Einsatz auf Basis monatlich erstellter Dienstpläne auf allen Wachen möglich.

Der BFH hat entschieden, dass bei diesem Sachverhalt eine dauerhafte Zuordnung zu einer bestimmten Rettungswache oder einer ersten Tätigkeitsstätte nicht angenommen werden kann. Allein ein monatlich im Voraus erstellter Dienstplan kann bei einem unbefristet tätigen Arbeitnehmer keine dauerhafte Zuordnung begründen. Darauf, dass der Steuerpflichtige – rückwirkend betrachtet – ganz überwiegend in einer bestimmten Einsatzstelle eingesetzt wurde, kommt es nicht an.

Quelle:BFH | Beschluss | VI B 46/23 | 07-02-2024