Solidaritätszuschlag: Verfassungsbeschwerde

Die Bundesrechtsanwaltskammer hat zu einer Verfassungsbeschwerde des FDP-Vorstands Stellung genommen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Weitererhebung des Solidaritätszuschlags über das Jahr 2020 hinaus verfassungsrechtlich nicht mehr zulässig ist, weil sie nicht mehr durch Artikel 106 Abs. 1 Nr. 5 des Grundgesetzes gedeckt ist. Das Grundgesetz lässt zusätzliche Abgaben nur als ergänzende Abgaben bei Bedarfsspitzen zu – wie es bei der Wiedervereinigung der Fall war. 

Die Erhebung des allgemeinen Solidaritätszuschlags für alle wurde Ende 2019 umgewandelt, sodass es sich nunmehr um einen Sonderzuschlag für rund 10% der Steuerpflichtigen handelt. Dies verstößt nach der Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer außerdem gegen den Gleichheitssatz des Artikel 3 des Grundgesetzes.

Fazit: Gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags sollte unter Hinweis auf das anhängige Verfahren beim BVerfG (Az. 2 BvR 1505/20) Einspruch eingelegt und eine Aussetzung des Einspruchsverfahrens beantragt werden.

Quelle:Sonstige | Veröffentlichung | Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer | 07-03-2024

Kindergeld: Monatsanfang entscheidet über Anspruch

Wenn mehrere Personen im selben Monat kindergeldberechtigt sind, ist die Person vorrangig berechtigt, die zu Beginn dieses Monats die Voraussetzungen erfüllt.

Praxis-Beispiel:
Der Kläger und sein Lebenspartner nahmen am 7.12.2020 ein Kind, das im November 2020 von einer obdachlosen Mutter zur Welt gebracht wurde, in ihren Haushalt auf und wurden dadurch zu dessen Pflegeeltern. Die Pflegeeltern bestimmten untereinander, wer von Ihnen berechtigt sein soll. Die Familienkasse gewährte ihm das Kindergeld ab Januar 2021 und lehnte das Kindergeld für die Monate November und Dezember 2020 ab. Infolgedessen versagte die Familienkasse dem Kläger auch den Kinderbonus für das Jahr 2020. 
Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht jedoch sah die Klage im Hinblick auf das Kindergeld für den Monat Dezember 2020 und ebenso im Hinblick auf den Kinderbonus 2020 als begründet an.

Der BFH teilte diese Auffassung nicht und hob das Urteil des Finanzgerichts auf. Für den Bezug des Kindergelds sind nach Auffassung des BFH die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend, die am Monatsanfang bestanden haben. Zu Beginn des Monats Dezember 2020 waren noch allein die leiblichen Eltern des Kindes kindergeldberechtigt. Bei ihnen setzt der Kindergeldanspruch (anders als bei Pflegeeltern) keine Aufnahme des Kindes in ihren Haushalt voraus. Deshalb waren sie gegenüber den erst im Laufe des Monats Dezember 2020 hinzugekommenen Pflegeeltern für diesen Monat vorrangig kindergeldberechtigt.

Konsequenz: Durch die Haushaltsaufnahme bei den Pflegeeltern am 7.12.2020 ist der Anspruchsvorrang des Klägers erst ab dem Folgemonat zu berücksichtigen (hier also ab Januar 2021). Aufgrund dessen hatte der Kläger auch keinen Anspruch auf den Kinderbonus für das Jahr 2020, da dieser einen Anspruch auf Kindergeld im Jahr 2020 voraussetzte.

Quelle:BFH | Urteil | III R 5/23 | 17-01-2024

Vorsorglicher Wohnungsumbau: Keine außergewöhnliche Belastung

Ein sich stetig verschlechternder Gesundheitszustand stellt keine Besonderheit dar, die es rechtfertigen würde, Aufwendungen für einen vorausschauenden Wohnungsumbau als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Praxis-Beispiel:
Die Kläger machten in ihrer Einkommensteuererklärung 2018 außergewöhnliche Belastungen für den altersbedingten Hausumbau in Höhe von 94.807,79 € geltend. Die Kläger legten einen Bescheid vom 29.10.2019 vor, in dem beim Kläger ab dem 23.9.2019 ein Grad der Behinderung von 60 und das Merkzeichen G festgestellt wurde. Weiter legten sie eine ärztliche Bescheinigung vor, in der ärztlicherseits bestätigt wird, dass bei der Klägerin und dem Kläger aus medizinischer Sicht „aus multiplen internistischen und orthopädischen Gründen“ ein altersgerechter bzw. behindertengerechter Umbau der Wohnung dringend anzuraten ist.

Das Finanzamt kam zu dem Ergebnis, dass die Aufwendungen nicht zwangsläufig sind und daher nicht berücksichtigt werden können. Der medizinische Dienst sei vor Ort gewesen, habe aber keine Bescheinigung darüber ausgestellt, dass die Krankheit so fortgeschritten sei, dass die durchgeführten Maßnahmen als zwingend erforderlich erschienen wären. Der Kläger sei noch nicht auf Rollstuhl oder Rollator angewiesen. Bei einer anzunehmenden Verschlechterung des Krankheitsbildes könne dies in 2 bis 3 Jahren der Fall sein. Das Finanzamt erließ daraufhin den Einkommensteuerbescheid 2018 ohne Berücksichtigung der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen.

Das Finanzgericht lehnte eine Berücksichtigung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung ab. Entscheidet sich der Steuerpflichtige mit Blick auf seine fortschreitende Krankheit, ohne dass aktuell eine Zwangslage besteht, liegen keine sachlichen oder persönlichen Billigkeitsgründe vor, die eine abweichende Steuerfestsetzung rechtfertigen würden. Bei Maßnahmen, die durchaus sinnvoll, aber noch nicht erforderlich sind, um den existenznotwendigen Wohnbedarf zu befriedigen, liegen keine sachlichen oder persönlichen Billigkeitsgründe vor, die zu einer abweichenden Steuerfestsetzung führen können.

Fazit: Kosten für vorausschauende Umbaumaßnahmen können nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

Quelle:Finanzgerichte | Urteil | FG Nürnberg, 3 K 988/21 | 05-09-2023

Unterhalt: Gerichtskosten sind keine Werbungskosten

Prozesskosten zur Erlangung eines (höheren) nachehelichen Unterhalts sind nicht als Werbungskosten abziehbar, auch wenn der Unterhaltsempfänger die Unterhaltszahlungen im Rahmen des sogenannten Realsplittings versteuern muss.

Praxis-Beispiel:
Die Ehe der Klägerin wurde im Jahr 2014 geschieden und ihr früherer Ehemann verpflichtet, einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 582,50 € monatlich zu zahlen. Das von der Klägerin angestrengte Gerichtsverfahren endete mit einem Vergleich, bei dem sich frühere Ehemann zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 900 € bereit erklärte. Die Verfahrenskosten wurden gegeneinander aufgehoben. Die Klägerin zahlte die Gerichts- und Anwaltskosten im Jahre 2015.

Das Finanzamt erfasste die erhaltenen Unterhaltsleistungen als steuerpflichtige sonstige Einkünfte. Es ließ die von der Klägerin getragenen Anwalts- und Gerichtskosten nicht zum Abzug zu. Das Finanzgericht gab der Klage mit der Begründung statt, dass die Klägerin ohne diese Aufwendungen später keine Unterhaltseinkünfte hätte erzielen können. Daher stellen sie vorweggenommene Werbungskosten dar.

Der BFH hat entschieden, dass Unterhaltszahlungen dem Privatbereich zuzuordnen sind. Das gilt dann entsprechend auch die für die Prozesskosten. Steuerlich sind die Unterhaltszahlungen nur dann relevant, wenn der Geber mit Zustimmung des Empfängers einen Antrag auf Sonderausgabenabzug stellt (Realsplitting). Erst der Antrag überführt die privaten Unterhaltszahlungen in den steuerrechtlich relevanten Bereich. Somit erfolgt erst ab Antragstellung die Umqualifizierung zu Sonderausgaben beim Geber und zu steuerbaren Einkünften beim Empfänger. Diese zeitliche Grenze ist entscheidend für das Vorliegen abzugsfähiger Erwerbsaufwendungen. Zuvor verursachte Aufwendungen des Unterhaltsempfängers (Prozesskosten zur Erlangung von Unterhalt) könnten keine Werbungskosten darstellen.

Hinweis: Der BFH hat die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen, weil es keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Prozesskosten gegebenenfalls als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.

Quelle:BFH | Urteil | X R 7/20 | 17-10-2023

Erste Tätigkeitsstätte: Rettungssanitäter

Ordnet der Arbeitgeber seine Mitarbeiter einem Versorgungsbereich zu, in dem sie grundsätzlich dauerhaft, aber wechselnd auf Basis monatlich erstellter Dienstpläne in verschiedenen Rettungswachen eingesetzt werden, scheidet eine dauerhafte Zuordnung zu einer bestimmten Rettungswache aus.

Praxis-Beispiel:
Nach dem Arbeitsvertrag des Klägers gilt das Kreisgebiet des Landkreises als dessen Arbeitsort. Der Kläger hat eine Arbeitgeberbestätigung eingereicht, wonach keine dienst- und arbeitsrechtliche Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte festgelegt worden ist. Vielmehr hat der Arbeitgeber erläutert, die Mitarbeiter würden einem Versorgungsbereich zugeordnet, in dem sie grundsätzlich dauer-haft eingesetzt würden. Innerhalb dieses Bereichs war der Einsatz auf Basis monatlich erstellter Dienstpläne auf allen Wachen möglich.

Der BFH hat entschieden, dass bei diesem Sachverhalt eine dauerhafte Zuordnung zu einer bestimmten Rettungswache oder einer ersten Tätigkeitsstätte nicht angenommen werden kann. Allein ein monatlich im Voraus erstellter Dienstplan kann bei einem unbefristet tätigen Arbeitnehmer keine dauerhafte Zuordnung begründen. Darauf, dass der Steuerpflichtige – rückwirkend betrachtet – ganz überwiegend in einer bestimmten Einsatzstelle eingesetzt wurde, kommt es nicht an.

Quelle:BFH | Beschluss | VI B 46/23 | 07-02-2024

Teilerlass eines Darlehens = Arbeitslohn

Der BFH hat entschieden, dass der teilweise Erlass eines Darlehens bei der beruflichen Aufstiegsfortbildung zu steuerpflichtigem Arbeitslohn bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führt.

Praxis-Beispiel:
Die Klägerin nahm in den Jahren 2014 und 2015 an sogenannten Aufstiegsfortbildungen teil, die von der Investitions- und Förderbank Niedersachsen mit Zuschüssen und Darlehen für die Kosten der Lehrveranstaltungen gefördert wurden. Die Darlehen wurden der Klägerin auf ihren Antrag von der Kreditanstalt für Wiederaufbau gewährt. In den Bedingungen war vorgesehen, dass dem Darlehensnehmer bei Bestehen der Fortbildungsprüfung ein bestimmter Prozentsatz des noch nicht fällig gewordenen Darlehens für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren erlassen wird. Die Kosten der Lehrveranstaltungen erkannte das Finanzamt in den Jahren 2014 und 2015 als Werbungskosten an. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Fortbildungen erließ die Kreditanstalt für Wiederaufbau der Klägerin 40% der noch vorhandenen Darlehen. Das Finanzamt erhöhte den Bruttoarbeitslohn der Klägerin im Einkommensteuerbescheid um diesen Erlassbetrag. Der BFH bestätigte dieses Vorgehen.

Der BFH hat auf seine ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach die Erstattung von Aufwendungen, die als Werbungskosten abziehbar sind, als Einnahme bei der Einkunftsart zu erfassen sind, bei der die Werbungskosten früher abgezogen worden sind. So verhält es sich auch bei den gewährten teilweisen Erlassen der Darlehen seitens der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Zum einen hat die Klägerin die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren in den Vorjahren als Werbungskosten abgesetzt. Zum anderen beruht der nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz gewährte Darlehenserlass auf Gründen, die mit dem Beruf zusammenhängen. Denn der Erlass hängt allein vom Bestehen der Abschlussprüfung und nicht von der finanziellen Bedürftigkeit oder den persönlichen Lebensumständen des Darlehensnehmers ab und ist zudem der Höhe nach an dem konkreten Darlehen ausgerichtet.

Quelle:BFH | Urteil | VI R 9/21 | 22-11-2023

Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte bei Behinderung

Die Wohnung des Arbeitnehmers ist der Ausgangspunkt für seine Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte. Wohnung kann z. B. auch ein möbliertes Zimmer, ein Gartenhaus oder ein auf Dauer abgestellter Wohnwagen sein. Hat ein Arbeitnehmer mehrere Wohnungen, kann die weiter entfernt liegende Wohnung nur dann berücksichtigt werden, wenn sich dort der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers befindet und sie nicht nur gelegentlich aufgesucht wird. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet sich bei einem verheirateten Arbeitnehmer regelmäßig am tatsächlichen Wohnort seiner Familie. 

Bei Fahrten mit einem Kfz kann die Entfernungspauschale bei den Werbungskosten abgezogen werden. Menschen mit Behinderungen, deren Grad der Behinderung mindestens 70 beträgt oder deren Grad der Behinderung weniger als 70, aber mindestens 50 beträgt und die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, können anstelle der Entfernungspauschalen die tatsächlichen Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und für Familienheimfahrten ansetzen. Ohne Einzelnachweis können pauschal 0,30 € pro gefahrenen Kilometer angesetzt werden.

Hinweis: Wird ein Arbeitnehmer mit Behinderungen im eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kfz arbeitstäglich von einem Dritten, z. B. seinem Ehegatten, zu seiner ersten Tätigkeitsstätte gefahren und wieder abgeholt, entstehen auch Kfz-Kosten durch die Ab- und Anfahrten des Fahrers (= Leerfahrten). Diese können ebenfalls in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten abgezogen werden. Für die Anerkennung der tatsächlichen Aufwendungen oder der Kilometersätze und für die Berücksichtigung von Leerfahrten ist bei einer rückwirkenden Festsetzung oder Änderung des Grads der Behinderung das Gültigkeitsdatum des entsprechenden Nachweises maßgebend.

Quelle:Lohnsteuer-Richtlinie | Veröffentlichung | R 9.10. LStR 2023 | 08-02-2024

Dezemberhilfe 2022 ist steuerfrei

im Dezember 2022 übernahm die Bundesregierung die Kosten für den Gas- und Wärmeabschlag, um die Bürgerinnen und Bürger angesichts der hohen Energiepreise zu unterstützen (= Dezemberhilfe 2022). Diese Hilfsmaßnahmen waren ursprünglich als sozialer Ausgleich steuerpflichtig. Von einer Besteuerung wird nun jedoch zugunsten der Steuerzahler abgesehen. 

Durch die Zustimmung des Bundestags sind am 15.12.2023 Teile des Wachstumschancengesetzes im sogenannten Kreditzweitmarktförderungsgesetz umgesetzt worden. Hierzu gehört u.a. Artikel 19 des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes vom 22. Dezember 2023. 

In Artikel 19 „Änderung des Einkommensteuergesetzes“ werden die §§ 123 bis 126 EStG ersatzlos aufgehoben. Diese Änderung tritt rückwirkend mit Wirkung vom 21. Dezember 2022 in Kraft. Die rückwirkende Änderung macht es somit möglich, eine Berichtigung des Einkommensteuerbescheids 2022 zu beantragen, auch wenn dieser bereits bestandskräftig geworden ist.

Quelle:Sonstige | Gesetzliche Regelung | Artikel 19 des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes | 08-02-2024

Firmenwagen: Gesellschafter einer Personengesellschaft

Wie die private Nutzung eines Firmenwagens bei den Gesellschaftern einer Personengesellschaft zu ermitteln ist, hängt vom Umfang der betrieblichen Fahrten ab, die mit dem Fahrzeug unternommen werden. Wird das Fahrzeug ausschließlich (also zu 100%) betrieblich genutzt, können alle Aufwendungen uneingeschränkt als Betriebsausgaben abgezogen werden. Ohne Fahrtenbuch muss es sich um ein Fahrzeug handeln, das üblicherweise nur betrieblich genutzt werden kann. Dazu gehören

  • Fahrzeuge, die kraftfahrzeugsteuerrechtlich als Zugmaschinen zugelassen sind
  • LKW, weil sie üblicherweise nicht für Privatfahrten verwendet werden. Eine Ausnahme besteht jedoch bei Geländewagen, Vans usw., die üblicherweise für private Fahrten genutzt werden,
  • andere Fahrzeuge, die in erster Linie für den Transport von Gegenständen eingerichtet sind, z. B. Werkstattwagen,
  • Fahrzeuge, die der Unternehmer an Arbeitnehmer oder freie Mitarbeiter als Firmenwagen überlassen hat.

Bei einem Fahrzeug, das nach seiner objektiven Beschaffenheit so gut wie ausschließlich zur Beförderung von Gütern bestimmt ist, braucht keine private Nutzung versteuert zu werden. Maßgebend ist nicht die kraftfahrzeugsteuerliche oder verkehrsrechtliche Einstufung, sondern die Beschaffenheit des Fahrzeugs. Bei einem Werkstattwagen, der aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich zur Beförderung von Gütern bestimmt ist, darf das Finanzamt keine private Nutzung unterstellen. Liegen keine Anhaltspunkte vor, dass das Fahrzeug tatsächlich privat genutzt wurde, ist auch keine Privatnutzung anzusetzen.

Ermittlung des betrieblichen Nutzungsumfangs: Bei einem PKW reicht die bloße Behauptung, dass ein Fahrzeug nicht für Privatfahrten genutzt wird oder die Privatfahrten ausschließlich mit einem anderen (privaten) Fahrzeug durchgeführt werden, nicht aus. Denn üblicherweise wird ein PKW selbst dann für Privatfahrten verwendet, wenn ein anderes Fahrzeug zur Verfügung steht. Die Tatsache, dass der Firmen-PKW nicht privat genutzt wird, kann in der Regel nur mit einem Fahrtenbuch nachgewiesen werden. Hat die Personengesellschaft mehrere Firmen-PKW, kann sie die Privatfahrten nur dann problemlos abgrenzen, wenn für jedes Fahrzeug ein Fahrtenbuch geführt wird. Bei mehreren Firmen-PKW, die überwiegend betrieblich genutzt werden, hat der Gesellschafter die Wahl. Er kann für das von ihm genutzte Fahrzeug

  • ein Fahrtenbuch führen oder
  • die pauschale 1%-Methode anwenden.

Die Gesellschafter sind allerdings nicht verpflichtet, das Wahlrecht einheitlich auszuüben. Jeder Gesellschafter entscheidet für sich, wie er verfahren will.

Ohne Fahrtenbuch müssen die Gesellschafter für jedes überwiegend betrieblich genutzte Fahrzeug, das sie oder eine andere Person, die zu ihrem Haushalt gehört, auch privat nutzen, die pauschale 1%-Methode anwenden. Das Finanzamt unterstellt, dass jede Person mit Führerschein, die zum Haushalt eines der Gesellschafter gehört, ein Fahrzeug für Privatfahrten verwendet. Es darf also nicht nur auf die Gesellschafter abgestellt werden. Vielmehr müssen auch die Nutzungsmöglichkeiten der Ehegatten und anderer nahestehender Personen eines jeden Gesellschafters einbezogen werden. Dieser Beweis des ersten Anscheins wird jedoch entkräftet, wenn sich parallel ein gleichwertiges Fahrzeug im Privatvermögen befindet. 

Sind mehr Fahrzeuge vorhanden als mögliche Privatnutzer, ist die 1%-Methode nur für die Fahrzeuge mit dem jeweils höchsten Listenpreis anzusetzen. Befinden sich im Betriebsvermögen einer Personengesellschaft z. B. drei PKW und besteht eine Personengesellschaft aus zwei alleinstehenden Gesellschaftern und können sie glaubhaft darlegen, dass keine Person aus ihrer Privatsphäre eines dieser Fahrzeuge für private Zwecke nutzt, dann sind 1% pro Monat vom Bruttolistenpreis nur für die beiden teuersten Fahrzeuge anzusetzen.

Quelle:EStG | Gesetzliche Regelung | § 6 Abs. 1 Nr. 4 | 08-02-2024

Privates Veräußerungsgeschäft nach Scheidung

Veräußert der geschiedene Ehegatte im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung anlässlich der Ehescheidung seinen Miteigentumsanteil an dem gemeinsamen Einfamilienhaus an den früheren Ehepartner, kann der Verkauf als privates Veräußerungsgeschäft der Besteuerung unterliegen. 

Praxis-Beispiel:
Der Kläger war seit 1989 verheiratet. Aus der Ehe entstammen zwei in den Jahren 1994 und 2000 geborene Kinder. Die Ehe wurde 2014 geschieden. Der Kläger und die Kindesmutter waren je hälftige Miteigentümer einer Immobilie, die dem Kläger, der Kindesmutter und den gemeinsamen Kindern während des Bestehens der Ehe als gemeinsames Familienheim diente. Der Kläger zog infolge der Trennung aus der Immobilie aus. Zur endgültigen Vermögensauseinandersetzung übertrug die Kindesmutter ihren Miteigentumsanteil an der Immobilie auf den Kläger. Der Kindesmutter stand jedoch das Recht zu, die Immobilie bis zum 31.12.2018 unentgeltlich zu nutzen. Es wurde vereinbart, dass das mietfreie Wohnen eine Unterhaltsleistung des Klägers darstellt. 

Als Gegenleistung für den Erwerb des hälftigen Miteigentums stellte der Kläger die Kindesmutter von allen gemeinsamen Verbindlichkeiten frei und leistete einen zusätzlichen Ausgleichsbetrag. Mit notariellem Kaufvertrag verkaufte der Kläger 2018 die Immobilie. Das Finanzamt erfasste bei der Festsetzung der Einkommensteuer für 2018 Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft, weil eine Steuerbefreiung wegen einer Eigennutzung des Klägers nicht vorlag. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht zurück. 

Der BFH bestätigte das Urteil des Finanzgerichts. Ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft liegt vor, wenn eine Immobilie innerhalb von 10 Jahren angeschafft und wieder veräußert wird. Dies gilt auch für einen hälftigen Miteigentumsanteil, der im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach einer Ehescheidung von einem Miteigentümer an den anderen veräußert wird.

Fazit: Zwar ist die Veräußerung einer Immobilie dann nicht steuerbar, wenn die Immobilie durchgängig zwischen Anschaffung und Veräußerung oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Ein Ehegatte, der sich in Scheidung befindet, nutzt sein Miteigentum aber nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken, wenn er ausgezogen ist und nur noch sein geschiedener Ehegatte dort wohnt.

Quelle:BFH | Urteil | IX R 10/22 | 13-11-2023